Mehr CI- operierende Kliniken – bessere Erfolge??

Mit diesem Beitrag möchte ich auf offensichtliche Auswüchse bei der CI- Versorgung eingehen. Seit 1980 bin ich im DSB engagiert, szenekundig und habe die stürmischen Entwicklungen im Bereich der Hörgeräte mitverfolgen können.
Seit 2002 (links) und 2007 (rechts) bin ich nun erfolgreich beidseitig CI versorgt. Im Zusammenhang mit meinem Engagement hatte ich viele bemerkenswerte Begegnungen mit Menschen, welche mit Hörgeräten oder mit dem CI versorgt waren, deren Nutzung von mehr oder weniger von Erfolg gekrönt ist.

Mit Sorge betrachte ich insbesondere, daß es offenbar Auswüchse in der klinischen Versorgung von Hörgeschädigten gibt, welche sich in der zunehmenden Zahl von Kliniken zeigt, welche CI-Operationen durchführen. Gleichzeitig wird eindeutig die Nachsorge eklatant vernachlässigt. Bei der Nachsorge im CI-Bereich handelt es sich im wesentlichen um Nachjustierung der Sprachprozessor-Einstellung als auch in der Logopädischen Betreuung und Rehabilitation.

Mit einigen Beispielen möchte ich aufzeigen, daß es meiner Ansicht nach zu viele operierende Kliniken in Deutschland gibt. Zur Zeit ist die Rede von 53 Kliniken. Manche davon operieren im Jahr gerade mal eine Handvoll CI, andere weit über 100 Operationen. Darüber hinaus kämpfen große Klinken mit unverständlichen Kontingentierungen durch die Krankenkassen, welche quasi als Krönung falsch verstandener Sparbemühungen auch noch immer mehr gekürzt werden.
In der Anfangszeit des CI mit einigen wenigen „Leuchtturmkliniken“ wie der MHH war immer wieder die Rede davon, daß es auf die Ergebnisse des sozialen Umfeldes, der Intelligenz der Betroffenen usw. ankomme, bevor einer Operation von ärztlicher Seite zugestimmt werden würde.
Das scheint aber mittlerweile offenbar nicht immer der Fall zu sein. Darüber hinaus lassen aber auch die ärztlichen Künste ebenfalls zu wünschen übrig. Dies möchte ich an folgenden Beispielen belegen.

Fall 1: Eine junge Frau, welche stolz das CI präsentiert, ist mit einem gehörlosen Mann verheiratet. Sie erklärt, daß sie gut im Gespräch mit dem CI kommunizieren kann. Dies ist deutlich erkennbar bei weiterem Kontakt nicht der Fall, da sie fast ausschließlich mit ihrem Mann gebärdet und sich mit mir so gut wie gar nicht unterhalten kann. Das CI hat sie schon weit über einem Jahr.

Fall 2: Ein junger Mann, den ich zufällig in einem Supermarkt getroffen und angesprochen habe, weil ich sein CI bemerkte, kann mit dem CI überhaupt nichts verstehen und ist nur über Gebärden ansprechbar.

Fall 3: Eine Frau im Alter von ca. 40 Jahren hat seit 7 Jahren ein CI und leidet seither unter Zuckungen auf der Gesichtshälfte des CI. Es stellt sich in der Rehabilitation heraus, daß die Elektrode nicht richtig implantiert (zu tief) worden ist und die Elektroden unsachgemäß zu hoch erregt und eingestellt gewesen sind.

Fall 4: Ein junger Mann von 22 Jahren hat seit einigen Monaten ein CI. Die Spule ist derartig dicht am Ohr angebracht, daß der Sprachprozessor die Spule verdeckt. Der Sprachprozessor musste deshalb auf das andere Ohr verlegt und mit dem Implantat/ Spule mittels einem längeren, über den Hinterkopf gelegten Kabel verbunden werden.

Fall 5: Ein Zufallstreffen mit einer Frau von ca. 45 Jahren auf dem Marktplatz zeigt, daß sie trotz des CI nicht kommunizieren kann. Die Tochter der Frau fungiert als Dolmetscherin.

Fall 6: Bei einer Mitbetroffenen ist in einer großen Klinik eine komplikationslose und korrekte Operation durchgeführt worden. Mit dem CI hört sie schlechter als vorher mit dem Hörgerät. Selbst das noch verbliebene Hörgerät zeigt bessere Ergebnisse im Sprachtest. Die intelligente Person ist sehr gut im Ablesen und kommunikativen Verhalten. Bemühungen der Klinikingenieure zur Hörverbesserung zeigen keine Ergebnisse. Erst bei einem mehrwöchigern Aufenthalt in einer Reha- Klinik gelingt dem dortigen Ingenieur eine Verbesserung des Sprachverstehens von ca.10% auf 50% bis 60%.

Fall 7: Ein Ci- tragender 62-jähriger Herr hat seit der Operation ein halbes Jahr lang eine Art epileptische Anfälle am Kopf und ist kaum fähig, das Haus zu verlassen. Diese sind durch eine zu tief eingeführte und unsachgemäß erregte Ellektrode hervorgerufen. Er berichtet, daß er die Operation an einem großen Klinikum mit wenigen Op im Jahr hatte und der Professor ihn bei seinen Besuchen in der Klinik meidet.

Fall 8: Eine ebenfalls 62-jährige CI tragende Ingenieurin leidet etwa ein Jahr an der unsachgemäß erregten Elektrode sowie schlecht eingestelltem SP und die Klinik sieht sich nicht in der Lage, dies zu ändern.

Mindestens Fall 3, 4, 6, 7 und 8 haben sich zur Rehabilitation begeben und konnten dort enorme Fortschritte erzielen. Insbesondere die Rehabilitation und die Nachsorge werden offenbar in anderen und vielen Fällen eklatant vernachlässigt. Die operierenden Kliniken veranlassen zu selten eine Anschluß- Rehabilitation und empfehlen den Patienten kaum den regelmäßigen Besuch bei Logopäden oder Sprachheiltherapeuten zum Hörtraining.
Es kann und darf einfach nicht sein, daß sich ehrgeizige, aber nicht alle Aspekte beherrschenden Operateure in irgendwelchen kleinen Kliniken zum Nachteil ihrer Patienten mit CI-Operationen profilieren. Kolportiert wird aus Medizinerkreisen ohnehin, daß eine CI-Operation angeblich noch eine der leichtesten Übungen der Operateure sein soll. Es kann aber nicht angehen, daß die Operateure die Spule einfach irgendwohin in der Hinterkopflandschaft einpflanzen, so daß bei manchem nicht mal mehr ein Hut aufzusetzen ist. Oder daß die Elektrode irgendwo in der Cochlea endet und die Patienten können dann am Ende zusehen, wie sie mit der neuen Situation fertig werden.
Bekannt ist auch, daß an den ganz wenigen Kliniken mit fest eingestellten Ingenieuren, diese bei kompliziertem Verlauf der Operation, zu dieser sofort hinzugezogen werden. Denn an die notwendige weitere Nachsorge wird in kleinen Kliniken oft genug nicht gedacht, weil keine Nachsorge angeboten wird. Auch werden Patienten einfach allein gelassen und nicht informiert, wie sie sich nach der Entlassung verhalten sollen, indem ihnen gesagt wird, dass sie Logopädische Betreuung oder eine Rehabilitationsmaßnahme anstreben sollen und können.
Erfolge sind vor allem bei Personen zu festzustellen, welche in den wenigen TOP-Kliniken mit vielen Operationen eine Reihe sorgfältiger Untersuchungen durchlaufen haben. Diese dann einhergehend mit hervorragender Nachsorge, insbesondere in technischer Hinsicht der Einstellungen am SP und Überprüfung derselben in Logopädischen Sitzungen noch in der Klinik.
Ein erfahrener, inzwischen pensionierter Professor behauptete kürzlich in einem Vortrag, daß gehörverbessernde Operationen „bessere Ergebnisse zeigen“ als Hörgeräte. Im Anschluß daran fragte er mich, ob seine Entscheidung, an seiner Klinik keine CI zu implantieren richtig gewesen sei. Letzteres konnte ich bejahen.
Ein mitbetroffener Hörgeschädigter wiederum berichtete, daß ein neuer und junger Professor ihm ein implantierbares Hörgerät auf dem ertaubten Ohr empfohlen habe. Es ist zu vermuten, daß bestimmte Interessen im Spiel sind, wenn doch jeder Engagierte weiß, daß implantierbare Hörgeräte nur bei klar indizierten, meist mittelgradigen Hörverlusten angezeigt sind!

Es entsteht ein schaler Beigeschmack, der an die Auswüchse bei der Hörgeräteversorgung erinnert. Hier wird immer wieder behauptet, daß die Akustiker nach der Hörgeräteanpassung Nachsorge in Form von Hörtraining betrieben. Daß dies nicht der Fall ist, weiß eigentlich jeder Hörgeräteträger. Aber es kann einfach nicht sein, daß ein medizinisch indizierter Vorgang wie eine CI-Operation derartig lax behandelt wird. Es muß gefordert werden, daß operierende Kliniken den Nachweis der lückenlosen Nachsorge mit mindestens einem fest eingestellten Ci-Ingenieur und Logopäden durchführen. Wenn derartige unabdingbar notwendigen Maßnahmen auch nur an wenigen Tagen im Monat in der betreffenden Klinik angeboten werden sollen, kann von einer Nachhaltigkeit keine Rede sein.

Was zu viel an Kliniken und möglichen Auswüchsen ist, ist einfach zu viel. Wie heißt es doch so schön? Man muß das Übel (der schlechten Versorgung) an der Wurzel packen.

Hermann W. Aufderheide

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2 Gedanken zu „Mehr CI- operierende Kliniken – bessere Erfolge??

  1. Lieber Hermann,
    ich möchte mich ganz herzlich für diesen informativen Beitrag bedanken. Er sollte aber mit „nur meine Meinung“ gekennzeichnet werden. Am Ende des Beitrages entstand bei mir der Eindruck, dass alle Nachwirkungen der CI-OP in den aufgezählten Beispielen hätten vermieden werden können, wenn sich die Patienten nur für die richtige Klinik entschieden hätten?
    Ich denke, auch an der von Dir favorisierten Klinik sind die Ergebnisse nicht immer so optimal wie bei Dir.

  2. Hallo Monika
    Eine von mir favorisierte Klinik habe ich in dem Artikel nicht genannt. Ich weiß nun einmal, daß bei CI- Operationen, egal in welcher Klinik, Probleme jedweder Art auftreten können. Da kann niemand sicher sein. Bis auf einen der von mir aufgezeigten Fälle ist kein Betroffener umfassend informiert gewesen, wie dies durch eine Mitgliedschaft oder Kontakte zum DSB hätte sein können.
    Ich hätte noch viel mehr Fälle aufzeigen können, wo mehr vorherige Aufklärung, Untersuchungen sowie Nachsorge, Reha usw. wünschenswert gewesen wären. Von großer Bedeutung erscheint mir, daß CI- Träger genügend Motivation haben, daß sie sich nach der SP-Anpassung weiter mit dem CI auseinandersetzen können und müssen.

    Auf unserer Website habe ich jetzt eine ganze Menge an Artikeln stehen, wo meine Autorenschaft zumindest am Textende ersichtlich ist. Es macht keinen Sinn, allüberall „Meine Meinung“ stehen zu haben.

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